"Blog your Purpose" - dazu hat Judith Peters in ihrer Challenge aufgerufen. (Verwirrend, I know. Wir haben den gleichen Namen.) Diese Challenge hat einen Nerv bei mir getroffen, denn die Frage nach meinem "Wozu" beschäftigt mich schon seit langem. Sie hat die Frage gestellt: "Was willst du bewirken?" und hat mir damit einen wichtigen Anstupser gegeben, mein "Wozu" in Worte zu fassen.
Auf der Meta-Ebene hatte ich während des Schreibens drei entlastende Erkenntnisse:
#1 Mein Purpose muss nichts Riesengroßes, Weltbewegendes sein.
#2 Mein Purpose ist nichts außerhalb von mir - er ist ganz nah und er kann seine Form ändern.
#3 Die Früchte meines Tuns zeigen sich möglicherweise nicht unmittelbar und es kann gut sein, dass wir auch über unser Leben hinaus wirken.
Dieser Artikel ist gewissermaßen die Ernte auf die simple Frage, was ich bewirken möchte. Work in progress. :-) Viel Freude beim Lesen!
Inhaltsverzeichnis
Das Leben und ich als Forschungsobjekt
Es gibt vieles, was mich interessiert und ich kann mich sehr schnell für etwas begeistern. Viele Jahre war ich wie eine Hummel, die von der einen Blüte zur anderen Blüte flog und von ihren Flügen Inspirationen mitbrachte.
In diesem Rumgehummel war eine dicke Portion Suche enthalten. Ich war auf der Suche nach mir und nach Antworten auf die Fragen, die ich an das Leben hatte: Wer bin ich? Was ich meine Aufgabe? Was kommt nach dem Leben? Was ist Weiblichkeit? Wer bin ich als Frau? Als Mutter, als Tochter? Wie heile ich meine alten seelischen Wunden?
Aber auch ganz pragmatische Fragestellungen beschäftigten mich: Wie funktioniert unsere Wirtschaft? Oder: Wie verändern wir bestehende Systeme, so dass sie gesünder für alle Beteiligten und Betroffenen werden?
1001 Frage! In mir steckt eine Forscherin, die sich selbst und das Leben immer besser verstehen möchte. Und damit meine ich (nicht nur, aber auch) das rationale, konzeptionelle Verstehen sondern ganz besonders das, was abseits dessen wahrnehmbar ist. Das, was jenseits unseres Denkens liegt. Das fasziniert mich ganz besonders.
Ein sicherer Space
Ich erinnere mich gut an den Tag, als ich im Rahmen eines Workshops erlebt habe, wie es sich anfühlt, mit allem, was sich in mir bewegt, angenommen zu sein. Diese Erfahrung war befreiend, beflügelnd und eine Erleichterung. Für mich war es der Schlüssel, um einen leisen Gedanken Einzug halten zu lassen: Was, wenn ich richtig bin, wie ich bin? Was, wenn ich mir selber trauen kann? Was, wenn das was ich zu sagen habe, wichtig ist? Und mir war klar: Das, was ich an dem Tag erlebt hatte, will ich für andere bewirken.
In einem Raum, in dem wir sein dürfen, in dem alles willkommen ist, der frei von (Be-)Wertung und Ratschlägen ist, können wir zu Lösungen, Ideen und Einsichten gelangen, die uns durch reines Denken verborgen bleiben. Ein solcher Raum ist offen, weit, liebevoll und voller Möglichkeiten.
Etwas Größeres einladen
Zu Beginn des Schreibens habe ich mir die Frage gestellt, was mir Freude bereitet und was ich gerne mache. Was lässt mein Herz höher schlagen?
Hier ist meine Antwort: Ich LIEBE die Momente, in denen die Energie sich verändert und damit Wandel in Echtzeit gelingt. Wenn es fühlbar, dass gerade etwas Bedeutungsvolles geschieht. Das ist kraftvoll. Und bewegend. Und erfüllend. Oft sind es Momente, in denen etwas Größeres einfließt – wie auch immer wir das nennen wollen (Nicht-Ich, das Göttliche, kosmisches Bewusstsein, Numinoses).
Häufig beginnt es damit, dass eine Öffnung entsteht: im Körper, im Denken und etwas wieder in Fluss kommt. Das führt dazu, dass sich etwas nachhaltig verändert. Ich nenne das gerne den Ratscheneffekt:
„Der Ratscheneffekt ist nach der als Ratsche bezeichneten mechanischen Vorrichtung benannt, die aus einem runden Zahnrad und einer schwenkbaren Sperrklinke besteht, die es dem Zahnrad ermöglicht, sich in eine Richtung zu drehen, aber nicht in die andere.“
Du hast also etwas erkannt, verstanden, integriert, das so kraftvoll ist, dass es dich verändert und dich in Richtung Zukunft bringt. Ohne lange To Do-Listen und Maßnahmenpläne.
Ein Leben in innerem und äußerem Frieden
Ich bin Mutter zweier Kinder, 9 und fast 7, ein Sohn und eine Tochter. Ich bin Enkelin derer, die den 2. Weltkrieg sehr bewusst miterlebt haben. Kriegstraumata haben in meinen Eltern gewirkt und vibrieren bis heute in meinen Zellen. Schon als Kind wusste ich: Das will ich nie erleben. Niemals. Ich möchte, dass meine Kinder in Frieden leben.
Habe ich das in der Hand? Nein, mit Blick auf die Weltenbühne natürlich nicht. Was ich tun kann, ist mit meiner Arbeit dazu beizutragen, dass die Menschen sich besser kennen lernen: sie ihre Schatten integrieren und Schritt für Schritt auf ihrem einzigartigen Weg heilen und vollständiger werden.
Meine Hypothese: Sie finden Sicherheit in sich und tragen dazu bei, dass unsere Welt entspannter und sicherer wird. Sie kämpfen weniger. Mit allem, was wir tun, denken, fühlen, nähren wir das größere Ganze. Und können so das kollektive Feld des Friedens stärken.
Wenn wir unsere eingefrorene Energie wieder zum Fließen bringen und sie nicht länger im Kämpfen und Kompensieren verschwenden, dann steht uns so irre viel schöpferische Lebenskraft zur Verfügung. Und damit steigen die Chancen, dass wir uns individuell und kollektiv das erschaffen können, was wir uns wünschen und was diese Zeit von uns braucht – abseits des oberflächlichen Greifens und Wollens.
Während des Schreibens dieses Artikels bin ich über einen Artikel in der Zeitschrift "evolve" gestoßen, in dem die Arbeit einer Dame vorgestellt wurde. In ihrer Arbeit geht es - wie bei mir - darum, dem inneren Wissen zu vertrauen und dem eigenen Seelenweg zu folgen. Sie bezeichnet ihre Arbeit als Friedensarbeit. Das gefällt mir sehr, denn ich möchte eine Welt im Frieden sehen – für meine Kinder und für alle, die uns nachfolgen.
Die heilsame Kraft der Schwesternschaft
Plötzlich war da der Ruf, einen Frauenkreis ins Leben zu rufen. Ich wusste nichts darüber, wie so was geht. Auf der Suche nach Antworten bin ich vor allem mir selbst begegnet - auf eine Art und Weise, die tief, heilsam und befreiend war und immer noch ist. Es ist ein Geschenk, mich selbst im Spiegel anderer Schwestern zu erforschen und zu erkennen.
Das mag ich mit meiner Arbeit weitergeben: Ich schaffe Räume, in denen Frauen sich und einander begegnen und miteinander erforschen, wer sie sind. Eine Grundannahme ist, dass wir das wonach wir uns sehnen, bereits sind. Es gibt nichts zu erreichen. Es ist ein Prozess des Schmelzens und des Freilegens von all der Weisheit und Schönheit, die wir in uns tragen.
Ich stelle mir eine Welt vor – heute, morgen, übermorgen – in der es ein natürliches und gewohntes Bild ist, dass Frauen in Kreisen (wieder) zusammenkommen. Jeder Kreis ist wieder Teil eines größeren Kreises und wir weben gemeinsam die so dringend benötigten weiblichen Qualitäten in die Welt.
Die Musik - meine verlorene Bestimmung (?)
Für mich war lange klar: Nach dem Abitur werde ich Musik studieren. Punkt. Einen anderen Plan hatte ich nicht und ehrlicherweise habe ich mir damals keine großen Gedanken darüber gemacht, was ich damit bewirken will.
Wenn ich jetzt auf mein jüngeres Ich schaue, denke ich, dass ich über den Klang etwas Schönes in die Welt bringen wollte. Total fasziniert hat mich, etwas zum Leben zu erwecken, was vor Jahrhunderten entstanden ist. Es war fast wie ein Verknüpfen der unterschiedlichen Zeiten. Definitiv wollte ich Verbundenheit über das gemeinsame Musizieren, einen Flow erleben und gemeinsam etwas entstehen lassen.
Wenn ich da jetzt darüber schreibe, ist es in der Essenz das, was ich heute auch noch will. Ich glaube, dieses Streben nach dem Moment, wo etwas Größeres übernimmt, das habe ich da schon erlebt und es ist tatsächlich eins meiner Kernthemen. Wenn der Flow da ist und der Kopf frei wird, du zwar genau weißt was du tust, aber loslässt und es durch dich fließen lässt, dann ist das wunderbar.
Ich habe kurz vor Studienbeginn übrigens das Handtuch geworfen. Der Blick hinter den Vorhang meiner Annahmen und Projektionen hat mir eine Welt der Konkurrenz, eines immensen Leistungs- und Perfektionsdrucks gezeigt. Und es fühlte sich plötzlich ganz falsch an. Freude, Flow und Leichtigkeit lösten sich auf im Erkennen des Richtig-falsch-Paradigmas. Es war eine irritierende Erfahrung, die mir gefühlt den Boden unter den Füßen weggezogen hat und ich so gar nicht mehr wusste, was ich will. Und auch wenn das nicht schön war, war es wichtig für mich.
Ich bin glücklich und froh, meiner inneren Stimme vertraut zu haben. Ich bin ebenso glücklich und froh auf diesem Weg gewesen zu sein, denn ich habe gelernt, dass Kontinuität und üben, üben, üben uns einfach besser werden lässt. Darüber hinaus hat es mir gezeigt hat, dass Commitment irre kraftvoll ist. Und es ist ok, wenn wir unseren Weg ändern, wenn wir uns neu ausrichten.
Was ist mein Vermächtnis?
Ich möchte Verbindungen hinterlassen, die uns das Gute ineinander sehen lassen. Ich bin eine Weberin am Netz des Lebens, welches unseren Planten umspannt. Meine Aufgabe ist es, die hellen Punkte miteinander zu verbinden: Loses verbinden, etwas in Fluss bringen und es durch Verbundenheit stärken. Es geht dabei nicht nur um zwischenmenschliche Verbindungen. Ein elementarer Aspekt ist, Verbindungen im inneren System zu schaffen, auf individueller Ebene.
Da „das Gute sehe“, „Verbundenheit“, „Sicherheit“ und „Frieden“ nicht zwingend die Qualitäten sind, die ich mit der Muttermilch aufgesogen habe, bin auch ich eine Werdende. Insofern verstehe ich mich durchaus als Vorbild. Weniger als „und so ist es, wenn’s fertig ist“, sondern mehr als „und so sieht mein Weg aus – nimm dir was du brauchen kannst“. Und ich reiche dir die Hand, um dich auf deinem Weg zu begleiten. Als Reiseleiterin in den Raum des Nicht-Wissend und des Unbekannten. Ich kann darin navigieren und frage dich in deine eigene Klarheit und dein tiefstes Wissen hinein.
Ich muss nichts Materielles hinterlassen. Keine Firma, kein Haus. Ich habe zwei Kinder geboren. Sie sind das, was von mir bleibt. Das andere, das ich hinterlasse, findet im unsichtbaren, nicht weniger realen Raum statt. Im besten Fall Spuren in den Herzen der Menschen.
Liebe Judith, danke für deinen Blog. Mit großer Freude habe ich deinen Text gelesen. Ich fühle mich von dir bestätigt, meinen Weg zu gehen, mir selbst meinen Raum zu geben. Besonders gut gefällt mir die Beschreibung der Verbindung von innerem und äußerem Frieden, das nehme ich als Inspiration für mich mit. Herzliche Grüße, Birgit